Der Wolf (Canis lupus) ist eine sehr anpassungsfähige Art, dessen ursprüngliches Verbreitungsareal im Holozän (vor ca. 11.000 Jahren) den gesamten europäischen Kontinent und Nordamerika umfasste. Wo es wilde Huftierarten als Beutetiere gab, kam auch der Wolf vor. In der Folge schrumpfte das Verbreitungsareal wegen der Konkurrenz mit dem Menschen deutlich zur heutigen Verbreitung. Diese umfasst eine Vielzahl von Ökosystemen von der arktischen Tundra bis zu den Wüsten, sowohl in Amerika als auch in Eurasien.

 

Ausrottung

Der Wolf galt als eine schädliche Art und wurde in Zentraleuropa in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ausgerottet. Auch in Osteuropa und in den Alpen ist der Wolf im 18. und 19. Jahrhundert zunehmend ausgemerzt worden. Dabei hat er zwischen den 30er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts den Tiefststand seiner Population erreicht. Trotzdem haben einige isolierte Populationen in Teilen Europas und auch in Italien überlebt. In Italien sind die Wölfe in den Alpen in den ersten zwanzig Jahren des 20. Jahrhunderts ausgerottet worden und kamen nur mehr in einer bis in die 70er Jahre abnehmenden Kleinpopulation südlich des Flusses Po vor. Damals wurde die Population in einem begrenzten Areal der Zentralapenninen und der südlichen Apenninen auf ca. 100 Individuen geschätzt.

 

Erholung

Seit den 70er Jahren konnte man eine langsame Erholung der Population feststellen, welche auf verschiedene Faktoren ökologischer und sozialer Natur zurückzuführen ist. Dabei kommt der erhöhten ökologischen Anpassungsfähigkeit des Wolfes eine bedeutende Rolle zu. Der Wolf ist fähig zu überleben, indem er jede Nahrungsgrundlage annimmt. Er hat eine starke Ausbreitungstendenz und bewegt sich auch in ungünstigen Lebensräumen.

Die zunehmende Entsiedlung großer ländlicher Räume und eines Großteils von Tälern in den Alpen nach dem 2. Weltkrieg hat das Auflassen der landwirtschaftlichen Kultivierung großer Gebiete im Hügelland und im Berggebiet zur Folge gehabt. Diese Gebiete sind von Huftierarten unter den Wildtieren wiederbesiedelt worden. Im Gefolge wurden diese Lebensräume auch vom Wolf wiederbesiedelt.

 

Schutz

Von grundsätzlicher Bedeutung für den Schutz des Wolfes waren schließlich einige Gesetze auf nationaler und internationaler Ebene, welche den Wolf seit den 70er Jahren als eine nicht jagdbare Art mit hohem Erhaltungswert einstufen. Mit einem Ministerialdekret aus dem Jahre 1971, welches 1976 seine endgültige Rechtskraft erreicht hat, wurde der Wolf aus der Liste der schädlichen Arten gestrichen und die Jagd und der Einsatz von Giftködern verboten. Auf das Dekret folgte das italienische Gesetz Nr. 157/92 und auf europäischer Ebene die Konvention von Bern aus dem Jahr 1979. In dieser Konvention wird der Wolf in der Anlage II als „streng geschützte Art“ klassifiziert. In der europäischen Richtlinie Habitat 92/43 und in deren Anhang D wird der Wolf als „streng geschützte Art von gemeinschaftlicher Bedeutung“ eingestuft. Schlussendlich wird der Wolf im Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) aus dem Jahr 1973 zum internationalen Handel mit vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten als „potenziell gefährdete Art“ klassifiziert.

 

Rückkehr

Die Population der Wölfe in Italien ist so von den ca. 100 überlebenden Individuen aus den 70er Jahren auf 220 geschätzte Exemplare im Jahre 1983 angewachsen, um schließlich im 2003 ca. 600 Tiere zu erreichen. Das Verbreitungsareal der Art hat sich inzwischen nach Norden ausgedehnt und deckt den gesamten Apenninenbereich ab. In den ersten 90er Jahren haben sich in den Westalpen neue Rudel gebildet.

In den 80er Jahren wurde aus festgestellten Rissen an Haustieren die Anwesenheit des Wolfes im Ligurischen Apennin belegt. Seit Beginn der 90er Jahre hat der Beutegreifer die Wiederbesiedlung der Westalpen begonnen. Diese Wiederbesiedlung wurde begünstigt, weil die Ligurischen Alpen direkt an den nördlichen Apennin angrenzen. Die ersten bestätigten Sichtungen in den französischen Alpen gehen auf das Jahr 1987 im Gebiet des Colle di Tenda zurück. In den 90er Jahren wurden Wölfe in den Tälern Pesio und Stura gesichtet, 1994 in der Provinz Turin. Sichere Daten über die Präsenz der Art in Frankreich gibt es ab 1992, wobei sich das erste Rudel 1994 bildet und seither weitere Rudel bilden. Für Italien wurde die ersten Würfe im Winter 1996/1997 im Pesiotal und im Naturpark Gran Bosco di Salbertrand belegt. Im Jahr 2009 wurden zwischen Frankreich und der Region Piemont 32 Wolfsrudel gezählt, welche die nunmehr stabile Präsenz der Art in den Ostalpen dokumentieren.

 

Ausbreitung nach Osten

In der Schweiz wurde seit Mitte der 90er Jahre die sporadische Anwesenheit von Einzelexemplaren von Wölfen registriert, welche aus der italienischen Population stammen. Allerdings kam es bis dahin noch zu keiner Rudelbildung. Die ersten Beweise für eine dauerhafte Präsenz des Wolfes gehen auf das Jahr 1994 zurück, in dem sich ein Rüde ansiedelte, der nach zwei Jahren erschossen worden ist. Das erste sich fortpflanzende Rudel ist in der Schweiz im Jahre 2012 aufgetreten. Im restlichen Teil des Alpenbogens gab und gibt es viele potenzielle und taugliche Ansiedlungsgebiete. Auf das Frühjahr 2012 geht die Nachricht von der Wiederbesiedlung der Lessinischen Alpen (südöstliche Voralpen) zurück. Obwohl der Trend zur Ausbreitung der Art positiv ist, gibt es ungesetzliche Abschüsse und zufallsbedingte Unfälle (Zusammenprall mit Zügen und Motorfahrzeugen). Diese Verluste stellen eine starke Bedrohung für die Art dar. Es muss weiters berücksichtigt werden, dass eine kleine Population mit geringer genetischer Variabilität, wie die Wolfpopulation der Alpen, der Verbindung mit Nachbarpopulationen bedarf.

Die spontane Wiederbesiedlung der Alpen von West nach Ost durch den Wolf macht die Übertragung der Kenntnisse und der Erfahrungen notwendig, wie sie im Piemont in den letzten zwanzig Jahren im Zusammenleben mit dem Beutegreifer gewonnen worden sind.

 

Ausbreitung nach Westen

Die Geschichte der Ausbreitung des Wolfes im Dinarischen Gebirge unterscheidet sich unwesentliche von jener im Gebiet der Alpen. Über Jahrhunderte verfolgt mit dem Ziel der vollständigen Ausrottung, hat sich die slowenische Wolfpopulation nur in einem kurzen Zeitraum während des 1. Weltkrieges erholt. Schon im Jahr 1923 wird mit dem „Entscheid zur Ausrottung des Wolfes“, welcher von Berufsjägern umgesetzt werden sollte, die Erholungsphase unterbrochen und die Anzahl der Wölfe drastisch reduziert. Die Art wird überall selten. Es muss das Jahr 1973 abgewartet werden, welches eine Trendwende bringt. In diesem Jahr werden die Abschussprämien für die Erlegung von Wölfen ausgesetzt und es starten die ersten Schutzmaßnahmen. Die erste Einschränkung der Jagd auf den Wolf datiert auf das Jahr 1976. Vierzehn Jahre nachher wird der Schutz des Wolfes von Seiten der Jägerschaft auf das gesamte Jahr ausgedehnt. Das erste Gesetz zum Schutz des Wolfes auf nationaler Ebene in Slowenien wird im Jahr 1993 veröffentlicht. Heute ist der Wolf eine geschützte Art. Von Jahr zu Jahr kann das Ministerium entscheiden, fallweise eine bestimmte Anzahl von Individuen zum Abschuss freizugeben. Diese Erlaubnis zu Abschüssen fußt auf einem aufmerksamen Monitoring.
Im Jahr 2013 wurde für die Lessinischen Alpen die Reproduktion eines ersten Wolfpaares dokumentiert. Das Paar war von dem Rüden “Slavc” aus den Dinarischen Bergen und von dem Weibchen “Giulietta” gebildet, welches aus den Westalpen stammt. Das außerordentliche Ereignis bestätigt die Vermutung der Zoologen und Wissenschaftler, die schon seit geraumer Zeit erwartet worden war: das Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Populationen, welche schon seit Jahrhunderten nicht mehr untereinander in Kontakt waren und das Bilden des einzigen Rudels, das zum Stand 2014 für die Ostalpen bekannt ist. Es ist dies ein Fakt von hohem biologischen Interesse und Schutzcharakter.